Theo Deckers (Jahrgang 1933) verlebte seine Kindheit in seinem Elternhaus in Suderwick gegenüber dem damaligen „SpritzenhÜsken“. Er hat seine Kindheitserinnerungen und das spannende dörfliche Leben an der Grenze in Gedichten und Geschichten festgehalten.
Seit 1962 wohnt er im niederländischen Breedenbroek, nur wenige Kilometer von Suderwick entfernt auf der anderen Seite der ehemaligen Grenze. Wie viele Suderwicker hat auch er ein niederländisches „Meisje“ geheiratet.

Bei der Schreibweise der Gedichte im „Surksen Platt“ haben einige Suderwicker geholfen. Hierfür bedanken sich der Verfasser und der Heimatverein an dieser Stelle nochmals recht herzlich.

Wie für viele Mundarten gibt es auch für die Schreibweise im Suderwicker Dialekt keine feste Regeln. Da es sogar Unterschiede in der Aussprache zwischen den Suderwickern gibt, die in dem ländlich geprägten östlichen oder dem grenznäheren westlichen Suderwick wohnen, wo sich die Aussprache auch stark an das Dinxperloer Platt anlehnt, ist das Schreiben „in Platt“ recht schwierig. Dass sich an der Grenze aufgrund der räumlichen Nähe zu Dinxperlo das „Surkse Platt“ im Laufe de Zeit stark mit der dort gesprochenen Mundart gemischt hat, ist wegen der vielen bestehenden familiären, nachbarschaftlichen oder geschäftlichen Kontakte der Bewohner an beiden Seite der Grenze nicht verwunderlich.

Von der im übrigen Bocholt gesprochenen „Westmünsterländischen“ Mundart unterscheidet sich das „Surkse Platt“ sehr deutlich. Also konnte man hieraus wenig schöpfen. Letztlich wurde es aber doch dem Verfasser überlassen, sich für die eine oder andere Schreibweise zu entscheiden.

Wir bitten kritische Leser um Verständnis!

‚t Surkse „Spritzenhüsken“
Bis etwa Mitte der 50-er Jahre hat an der jetzigen „Sporker Straße“ etwas östlich von der Einmündung in die „Wehrstraße“ das „Suderwicker Spritzenhaus“ oder wie es die Suderwicker in ihrem Platt sagen, das „Surkse Spritzenhüsken“, gestanden. Das Spritzenhaus diente als Feuerwehr-Gerätehaus, aber auch als vermeintlich sicherer Aufbewahrungsort für Leute, die einer Straftat verdächtigt waren und vorübergehend dort untergebracht wurden.

Hin und wieder saß jemand im „Pittermann“, wie das Gebäude dann bezeichnet wurde, wenn es als Art Gefängnis diente. Dann war es gerade für Kinder und Jugendliche ein besonderer Anlass, neugierig und aufgeregt um das Gebäude herumzuschleichen und zu spekulieren, ob und warum denn da wohl jemand festgehalten wurde.

Um das Gebäude ranken sich einige Geschichten und ältere Suderwicker erinnern sich noch gut daran.

Einer der letzten Suderwicker Dorfpolizisten, August Mattke, hat möglicherweise genau wie einer seiner Vorgänger „Plempe Karl“ Straffällige oder Verdächtige über Nacht im Spritzenhaus eingesperrt, bevor sie vielleicht am nächsten Tag dem Haftrichter in Bocholt vorgeführt wurden. „Plempe Karl“ war der Spitzname für den Suderwicker Dorfpolizisten. Diesen Namen erhielt er, weil er den Säbel oft als Schlagstock gebrauchte (lt. Wörterbuch: Plempe = Säbel).

Auch der seinerzeit ranghöchste Zöllner für Anholt und Suderwick (Brüggenhütte), Fichtelbusch, machte in den 30er bis 40er Jahren vom Spritzenhaus regen Gebrauch. Mit seinem Motorrad mit Beiwagen brachte er verdächtige Personen, die an der Grenze aufgefallen waren und möglicherweise „etwas auf dem Kerbholz hatten“, ebenfalls zum Spritzenhaus und sperrte sie dort ein. Bei schweren Vergehen oder Verdacht, wurden die Inhaftierten am anderen Tag nach Bocholt zum Amtsgericht gebracht. Überführte Schmuggler wurden damals oft zu 6 Wochen „Emsland“ verurteilt (zum Torf stechen).

‚t Surkse „Spritzenhüsken“
All is ´t „Spritzenhüs“ verloren,
vergääten is ´t noch lange niet.
Denn Spöllplatz, waor ej bünt geboren,
denn ej noch in ouw Dröömen sieht.

Elfmeterschieten op de Dööre,
troff ej de Planken, dann wass ´t ´n Tor.
Troff ej de Steene van de Müüre –
´n Pfostenschuss wass ´t dann maor.

Wat wass dat moij: Verstoppenspöllen
in de Strücke, die daor achtern stonden.
Wie süüken mossten, wassen an´t nöalen,
die hadden ouw lange noch niet ´efonden.

´n Piepken schmööken wass verbaoden, –
ej wassen jao noch gen achtien Jaor.
Maor „pöffen“ achter ´t „Spritzenhüsken, –
watt wass ej groot! En ´t is werklik waor.

En hadd´ de Feuerwehr en Übung,
loss stonden de Döören wagenwied.
Wej stonden derbej – jao, so nejschierig,
ej wett jao niet, watt ej binnen sieht.

Vöörne daor stond denn grooten Wagen, –
geputzt en strahlend in´t Rot.
Gen Surksen hören ej dumaols klagen,
denn stond parat för denn Fall in Not.

Daorachter stond ´ne olde Spritze,
Bedienung, die wass met de Hand.
En old Museumsstück, dat wass se,
maor niet geschickt för´n grooten Brand.

En rechts daor baowen op de Planken,
daor laggen Helme so maor rond.
En ook sieh ick in miene Gedanken:
Daor laggen Schläuche op de Grond.

En links, daor wass ne dicke Dööre,
oh weh för die daor achter kwam.
Geen Mens woll, datt ´t üm geböören,
wannt datt wass den Surksen „Pittermann“

Oh Spritzenhüsken, lang verloren,
vergääten bö´j noch lange niet.
Denn Spöllplatz, waor wej bünt geboren,
vergäät wej in ons Lääwen niet!

Theo Deckers

Fotos vom alten Spritzenhaus sind trotz vieler Bemühungen noch nicht aufgefunden worden.

Anhand einer Skizze von Theo Deckers zeichnete der Suderwicker Dieter Elting das „„Spritzenhüsken“, um es wieder in Erinnerung zu bringen. Nach Aussagen von „Zeitzeugen“ gibt diese Zeichnung das ehemalige Gebäude gut wieder. So hat es in etwa ausgesehen.

Der Heimatverein Suderwick ist an Reaktionen und weiteren Geschichten um das Spritzenhaus und falls es tatsächlich welche geben sollte, natürlich besonders auch an Fotos interessiert.

Aus der Feder des gleichen Verfassers stammen die nachfolgenden Erinnerungen an die „Gute alte Zeit“, als das zum täglichen Leben benötigte Brot noch selbst gebacken wurde. Mit diesen Versen weist er insbesondere auf die Aktion des Heimatvereins Suderwick hin, auf dessen Initiative an der Langen Fohre in der Achtersurk die Rekonstruktion eines Backofens entstand, der früher ganz in der Nähe auf dem Hof der Familie Brüggink gestanden hat.

Erinnerungen an die „Gute alte Zeit“
Die Zeit, in der Backöfen auf Bauernhöfen und großen Anwesen genutzt wurden, ist längst vorbei. Immer noch üben sie jedoch auf den am bäuerlichen Leben Interessierten einen besonderen Reiz aus.
Im Obstgarten -wegen der Brandgefahr weit entfernt von den anderen Gebäuden- wurde der Backofen aufgestellt. Aus dem gleichen Grund wurden auch Heu- und Strohschober niemals in deren Nähe errichtet. Oft waren jedoch Bienenstöcke in Backofennähe aufgestellt.
In der Regel wurde wöchentlich in diesen Öfen für den Eigenbedarf Brot gebacken. Wer einen eigenen Backofen besaß, galt damals als wohlhabend.
Die ländliche Bevölkerung, die nicht auf einem Bauernhof wohnte, brachte meistens ihren Brotteig einmal wöchentlich zum Dorfbäcker, um diesen später als ausgebackenes Brot wieder abzuholen. Auf kleinen Papierstreifen wurde der Name geschrieben und nach der Anzahl dieser Streifen wusste der Bäcker, für wie viele Brote der angelieferte Teig verwendet werden sollte. Dieser Brauch ist kurz nach dem 2. Weltkrieg in Vergessenheit geraten.
Doch zurück zu den Backöfen, die nicht nur zum Brotbacken benutzt wurden.

Wenn in Herbst das Obst reif war, wurden große Mengen Obst in den Backöfen getrocknet. Besonders Pflaumen und Zwetschgen, mit oder ohne Stein, sowie einige Apfelsorten eigneten sich besonders gut zum Trocknen. Die Nummer Eins der getrockneten Früchte waren jedoch die “Köttelperen“, eine kleine Birnensorte die, geschält und in Stücke geschnitten, getrocknet wurde.
Ob nun Köttelperen, gedröögde Appels oder gedröögde Prumen, die getrockneten Früchte wurden für den Winter aufbewahrt, um dann als köstliche Zugabe zur Milchsuppe, dem „Pap“, gegessen zu werden.
Aber auch als sogenanntes Wundermittel galten die getrockneten Früchte. Bei Stuhlbeschwerden wurden viele getrocknete Früchte gegessen. Der gewünschte Erfolg blieb meist nicht aus. Ob der Name “Köttelperen“ hiermit im Zusammenhang steht ist dem Autor jedoch nicht bekannt.
Auch das Trocknen und Aufbewahren von Stielen für Spaten, Harken oder Besen erfolgte in der Nähe des Backofens. Hatte der Bauer schöne Äste, die sich zur Herstellung von Stielen eigneten, meist Eschenholz, so wurden diese unter dem Dach des Backofens aufbewahrt, getrocknet und dann bei Bedarf benutzt.
Auch das Trocknen von Tabakblättern zur Herstellung von Pfeifentabak, dem sogenannten
“Eigenbau“, erfolgte unter dem Dach des Backofens. Die Wärme, die noch lange nach dem Backen vom Ofen ausging, wurde auf diese Weise vielfältig genutzt.
Von dieser Wärme wurden auch Insekten angezogen. Bei Einbruch der Dunkelheit war es immer wieder ein schönes Schauspiel, wenn Fledermäuse ihre Kreise um den Backofen flogen, um Insekten zu fangen. Im Sommer hörte man dann bis tief in die Nacht das Zirpen der Grillen, die ebenfalls beim Backofen einen warmen Platz gefunden hatten.

Über den Backofen noch einige Sprichwörter:

„At den Backowen gut brennt, dann huuf ej niet mehr te blaosen!“
(Wenn eine Sache einmal ins Rollen kommt, dann ist sie nicht mehr aufzuhalten.)

„Op en Backowen ligt geen silveren Pannen!“
(Mit Silber wird Reichtum verbunden. Geld war früher aus Silber. Verwendete man beim Bau eines Hauses keine „versilberten“ Dachziegel, so benötigte man auch keine Hypothek.)

„Tegen en Backowen kün ej niet gaapen , en tegen en Hoop Stront niet stinken!“
(Bei Reichtum kann man nicht mithalten, gegen einen Misthaufen kann man nicht anstinken)

Surkse Backdag!
Bej jede olde Buurderej,
een Backoowen, denn stond daorbej.
In denn Appelbungert stond denn daor,
wied af van ‘t Stroh, wegens Brandgefaor.

En jede Wääke op Frejdagmorgen,
dann mött denn Buur för Brandholt sorgen.
Denn Oowen te staoken met Bussenholt en Tacken,
üm för ‘ne Wääke weer Brood te backen.

Het Mähl, üüt Waitenkaorn ‘e mahlen,
dat mosten se bej denn Mölder halen.
En Morgens föördat denn Hahne kräien,
was de Buurinne al denn Deeg an ‘t knääden.

Dat Mähl, met MeIk en Eier in ‘ne Back,
met Hefe, en met Salt för`n Geschmack,
geknääd, gerold en in Form gebracht,
denn schwaoren Arbeid was volbracht!

Denn Backowen stond al in Gluud,
en was de Temperatur dann gut?
Goaw de Asse derüt getrokken
en den Oowen rein van Holt en Brocken.

Flott dann het Brood derin geschaoven
en ‘t backen gaar, daor in ‘n Oowen.
En jao, wej könnt ‘n Herrgod danken,­
daor is weer fris Brood op de Planken.

Met Nostalgie, so denken wej,
selwer backen, dat is al lange förbej.
Soals so fölle üüt ‘n olden Tied,
maor vergäten is ‘t noch lange niet.

Want op een mooijen Sommeraovend,
dann stohtse weer alle bej denn Oowen.
Met friss gebacken Brood en Bier,
“Surkse Backdag“ wat een Pläsier.

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